Klein, aber Bibo! Wie man mit Instagram Besucher in die Bücherei lockt
Über ihren Instagram-Kanal lockt »die kleine Bibo« in Teltow Bestsellerautoren an und nutzt pfiffig Netzwerkeffekte. Nebenbei pusten die Mitarbeiterinnen verstaubte Bücherei-Klischees mit Witz und Humor weg und kitzeln die Neugierde für Bücher und Poesie. Wie das mit Instagram funktioniert, berichten Sie im Interview.
Dieser Artikel wurde zuerst im andersneu Magazin am 16.02.2021 von Moritz »mo.« Sauer veröffentlicht.
Teltow liegt direkt am südwestlichen Stadtrand von Berlin. Und, die kleine Stadt wächst. Mehr als 27.000 Menschen leben hier und natürlich verfügt die Stadt auch über einen eigenen Instagram-Kanal @stadtteltowkultur. Der wirkt gepflegt langweilig, ganz krass im Unterschied zum flippigen Instagram-Kanal der Stadtbibliothek @stadtbibliothek_teltow.
Dort sehen wir keine angestaubten Regale, sondern drei quirlige, gutgelaunte Mitarbeiterinnen, die uns Bücher und ihre Arbeit auf witzige Art und Weise vorstellen. Drea (Andrea Neumann), Dani (Daniela Gorsolke) und Olivi (Olivia Berlescu-Schulze) brechen hierbei wunderbar mit altbekannten Mustern und informieren unterhaltend.
Warum und was die Stadtbibliothek antreibt und ob es funktioniert, beantwortet das Trio im Interview.
Wie, wann und warum ist Eure Idee entstanden Instagram für die Bibliothek Teltow einzusetzen?
Um das zu beantworten, müssen wir mal eben in die Zeitmaschine hüpfen und uns in das Jahr 2018 zurückbeamen. Vor ziemlich genau drei Jahren, im März 2018, übernahm Drea die Leitung der Bibliothek.
Von vorn herein übrigens unter der Maßgabe, die Attraktivität und öffentliche Wahrnehmung der bis dahin eher unscheinbaren Einrichtung zu steigern. Wenn man so will, hat Drea die »Schwäche« der Bibo als eher kleine Einrichtung mit begrenzten räumlichen Kapazitäten genutzt, um daraus den USP zu entwickeln.
So entstand »die kleine aber feine Bibliothek mit Wohnzimmeratmosphäre«, die auf Qualität statt auf Quantität setzt. Im Sommer 2018 folgte dann Dani, ein Jahr später kam Olivia zum Team hinzu. Im Juni 2018 wurde der Instagram-Account unter @stadtbibliothek_teltow eingerichtet.
Instagram deshalb, weil sich diese Social-Media-Plattform am ehesten eignete, um besagte Zielstellung zu erreichen. Andere Kanäle, etwa Facebook, schienen uns schon damals nicht passend und irgendwie nicht mehr zeitgemäß.
Wir fanden es zudem wichtig, uns erst einmal auf eine Plattform zu fokussieren. Man muss dazu sagen, dass dem Bibliothekswesen leider noch immer ein eher verstaubtes Image anhaftet, das dem heutigen Stand gar nicht mehr entspricht.
Aber es ist wie immer im Leben – es gestaltet sich schwierig, ein weit verbreitetes Klischee aus den Köpfen der Menschen zu entfernen. Genau das motiviert uns noch mehr, den Leuten zu zeigen, wie es bei uns tatsächlich abläuft. Getreu dem Motto »Make Bibos cool again!«. Außerdem gibt es aus unserer Sicht keine bessere Möglichkeit, um Leseförderung, Literaturvermittlung und Nutzerbindung lebhaft zu betreiben und gleichzeitig das Team und jeglichen Workflow dahinter zu zeigen.
Zielt ihr auf ein bestimmtes Publikum mit Eurem Kanal? Und wenn ja, welches? Und wenn nein, welches erreicht ihr?
Ja, natürlich. Wir haben unsere Zielgruppe(n) klar vor Augen. Die Zielgruppendefinition ist grundlegend, um sowohl die eigene Positionierung als auch sämtliche damit verbundene Botschaften nach außen zu kommunizieren. Man sollte wissen, was man vermitteln will und wie.
Dafür muss man aber bedenken, wen man überhaupt ansprechen möchte. In unserem Fall sind das ganz verschiedene Akteure der gesamten Literaturbranche. Neben unseren Bibliotheksnutzern – und natürlich denen, die es werden wollen – gehören auch Autoren, Verlage, Buchblogger, Buchhandlungen und andere Bibliotheken zu unserer Zielgruppe.
Unsere Beiträge haben zwar in erster Linie Unterhaltungswert, eröffnen uns aber Tür und Tor in ein Netzwerk, das uns schon oft weitergebracht hat.
Unsere Beiträge haben zwar in erster Linie Unterhaltungswert, eröffnen uns aber Tür und Tor in ein Netzwerk, das uns schon oft weitergebracht hat. So konnten wir als relativ kleine Bibliothek schon viele Bestsellerautoren zu Lesungen bei uns begrüßen, die wir wohl sonst nicht hätten akquirieren können.
Auch unsere Softwareumstellung wurde uns beispielsweise via Instagram erleichtert, weil wir uns dahingehend auf kurzem Wege mit Kollegen aus der Schweiz austauschen konnten. Es ist einfach von Vorteil, wenn man keine anonyme Einrichtung ist, sondern die Menschen und Persönlichkeiten dahinter zeigt. Das schafft Nähe, Wiedererkennungswert und Emotionalität.
Es gibt dieses schöne Buch »Steal Like An Artist« und ein passendes Video von Austin Kleon, in welchem er zeigt, wie Künstler sich inspirieren lassen. Stammen sämtliche Ideen Eurer Beiträge von Euch, oder tankt ihr auch mal Inspiration bei anderen? Wenn ja, wo? Und gibt es Kanäle, die ihr öffentlichen Einrichtungen empfehlen würdet?
Die einzige Inspiration, die wir tanken, sind die physischen Bücher und deren Cover. Ansonsten haben wir das Glück, von Hause aus mit einer gehörigen Portion Kreativität ausgestattet zu sein. Insbesondere Drea ist ein wandelnder Ideen-Sprudelbrunnen.
Die Idee allein reicht aber nicht. Die richtige Mischung in der Umsetzung macht’s. Dazu gehört eben nicht nur die Idee, sondern auch eine gewisse Aktualität in Kombi mit intelligenten Texten, Emotionalität, Persönlichkeit, Humor, Sinn für Ästhetik, Disziplin, Akribie … und natürlich der Dreh- und Angelpunkt »Buch«. Soll heißen, wir posten kein Mittagessen oder irgendwelche Schnappschüsse. Bei uns gibt es immer einen Bezug zum Buch oder zu unseren Arbeitsabläufen in der Bibliothek.
Auch überlegen wir sehr genau, wann und wie oft wir einen Post absetzen. Ansonsten gibt es wirklich viele tolle Kanäle und wir schauen uns sehr gern die zahlreichen kreativen Posts unserer Community an. Da jetzt konkrete Empfehlungen auszusprechen, würde das hiesige Textvolumen mindestens verdreifachen.
Wie ermutigt ihr jemanden, Instagram für ein Projekt auszuprobieren, der ruft: »Hilfe, ich habe keine Tattoos, bin weder Hipster noch so jung, wie die Drei aus Teltow! Es soll nicht langweilig sein, aber ich weiß nicht …«
Hahaha. Na dann auf ins Tattoostudio! Nein, Spaß beiseite! Drea ist ja die einzige Tätowierte im Team … Und ob wir jung sind, liegt wohl auch eher im Auge des Betrachters. Immerhin umkreisen wir alle schon die 40. Die einen schon drüber, die anderen etwas drunter.
Bei der Gelegenheit sei kurz erwähnt, dass das Team noch aus weiteren „Hipstern“ besteht. Da haben wir zum einen unsere gute Seele Bianca, die nicht so gern vor der Kamera steht, uns aber im Background absolut den Rücken freihält. Und in Kürze kommt mit Lina eine weitere Kollegin hinzu, die sich dann speziell den Kinderevents und der Sprachförderung widmen wird. Das am Rande …
Zur »kleinen Wohnzimmer-Bibo« gehört es einfach, dass man auch als Außenstehender das Gefühl hat, die Mitarbeiterinnen zu kennen.
Aber zurück zur Frage: So trocken und öde das jetzt klingen mag – wir empfehlen einfach ein schlüssiges Gesamtkonzept nebst eingängigem USP. Darauf lässt sich alles weitere gut aufbauen. Zur »kleinen Wohnzimmer-Bibo« gehört es einfach, dass man auch als Außenstehender das Gefühl hat, die Mitarbeiterinnen zu kennen.
Solche Grundgedanken fließen in unsere Beiträge ein. Eine weitere Stärke, die uns ausmacht, ist alles rund um das Thema Wortakrobatik. Wir setzen in Workshops und bei Schulklassenbesuchen ganz gezielt Poetry ein, um die Kids fürs Lesen zu begeistern. Auch das spiegelt unser Kanal wider. Daher: Viel und wild durcheinander posten ist nicht der richtige Ansatz. Kreativ, unterhaltsam, schlüssig und zur CI passend sollte es sein.
Der wichtigste Schlüssel jedoch liegt im Herzen! Ohne Herzblut an der Sache wird es nicht gelingen. Und wenn in uns eines tagtäglich ununterbrochen pulsiert, dann ist es Herzblut für unsere Bibo und für das, was wir tun!
Wenn ich mir z.B. Euer Video zu den Buchtaschen #mussteaberabholen anschaue, frage ich mich: Wie lange brauchen die eigentlich für so ein abwechslungsreiches Video? Also: Wie lange braucht ihr eigentlich für so ein Reel bzw. eine Story? Und wie viel Planung steckt da drin?
Der eigentliche Dreh geht zackig. Das Buchtaschen-Reel war z.B. in etwa einer Stunde im Kasten. Planung und Vorbereitung sind tatsächlich immens wichtig. Wir sind sehr gut organisiert und haben inzwischen detaillierte Abläufe entwickelt.
Brainstorming-Zeiten, Mitbringsel-Listen und konkret geplante Zeitfenster für den eigentlichen Dreh machen das Ganze zeitlich sehr überschaubar. Trotzdem darf man auch nicht vergessen, dass ein Social Media Kanal keine Standard-Arbeitszeiten kennt. Wir werkeln auch oft nach Feierabend oder am Wochenende, um den Account zu pflegen.
Schaut mal in den Rückspiegel! Welche Geschichte bzw. Erlebnis in Verbindung mit @stadtbibliothek_teltow werdet ihr nie vergessen?
Oh, das ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt tatsächlich viele Meilensteine der vergangenen drei Jahre, die wir nicht vergessen werden. Aber besonders stolz sind wir wohl auf unseren Outdoor-Bereich, den wir im ersten Lockdown im Frühjahr letzten Jahres fit gemacht haben, um den Menschen trotz Corona Events anbieten zu können.
Vom Entfernen des Unkraut bis hin zum Kreieren der Banner übrigens alles in Eigenleistung! Mit der Lesung von Frank Goldammer im Juni 2020 haben wir dann unser erstes Outdoor-Event durchgeführt. Autor und Besucher waren sehr begeistert von dem Ambiente. Das war für uns ein ganz besonderer Moment. Wie derzeit wohl jeder, hoffen natürlich auch wir, bald wieder zahlreiche solcher Veranstaltungen anbieten und erleben zu dürfen.
Vielen Dank für das Interview!
Datum: 27.04.2024
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