»Frau Teufel, wie setzt man eine Website in leichter Sprache um?«

Eine Website in Leichte Sprache zu übersetzen bedeutet nicht, »einfach nur Texte zu übersetzen«. Aufmerksamkeit benötigen vor allem auch Navigation, Typografie und Bildelemente. Wie man ein solches Projekt angeht, was zu bedenken ist und welchen Herausforderungen man sich stellen muss, erklärt die Expertin Anja Teufel im Interview.

Dieser Artikel wurde zuerst im andersneu Magazin am 28. August 2021 von Moritz »mo.« Sauer veröffentlicht.

Für Anja Teufel steht die Leichte Sprache im täglichen Fokus ihrer Arbeit. Im Interview mit dem andersneu-Magazin spricht sie über die Vorteile von Leichter Spracher und welche Fallstricke es auf dem Weg zu einer Webseite in Leichter Sprache gibt.

Sie haben die Texte für die Website des Freilichtmuseums am Kiekeberg geschrieben. Warum wurde nicht die gesamte Website in Leichter Sprache umgesetzt?

Tatsächlich gleicht kein Übersetzungsauftrag dem anderen. Es ist wichtig, jede Website individuell zu beurteilen und zu schauen, was für die Zielgruppe besonders interessant und relevant ist. Sonst besteht die Gefahr, dass die Leser*innen beim Besuch der Website das Wesentliche nicht erkennen und finden werden. Natürlich ist es dabei auch wichtig, was die Auftraggeber*innen erreichen möchten. 

Die gesamte Museums-Website betrachtet - mit allen Inhalten und Unterseiten - ist sehr umfangreich. In Rücksprache mit dem Museum entstand daher der Ansatz, jenes in Leichte Sprache zu übersetzen, was das Museum im Kern ausmacht.

Anja Teufel: Expertin für Leichte und Einfache Sprache

Die Sozialwissenschaftlerin Anja Teufel arbeitet und lebt in Hamburg. Seit 15 Jahren ist sie als Trainerin und Übersetzerin für Leichte Sprache aktiv – später kam auch noch die Einfache Sprache dazu. Erst in der kleinen inklusiven Firma K Produktion und ganz frisch mit ihrer eigenen Firma Anja Teufel inklusiv. Sie ist aktives Mitglied im Netzwerk Leichte Sprache e.V. und war dort mehrere Jahre Sprecherin der Arbeitsgruppe Regeln sowie der Netzwerkgruppe Nord. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Schulung und Beratung zu barrierefreier Veranstaltungsplanung sowie Prozessbegleitung zu Inklusion in Institutionen. Mehr Infos unter www.anja-teufel.de.

Außerdem gab es natürlich weitere Informationen, die nicht fehlen dürfen wie Kontakt, Öffnungszeiten, Anfahrt usw. Die übersetzten Inhalte bilden den Kern des Freilichtmuseums ab. Der Kern, das sind seine Gebäude, die Gärten und Tiere. Das umgesetzte Konzept für dieses Beispiel beschränkt sich daher auf diese Inhalte. Das bedeutet aber nicht, dass die so umgesetzte Website die einzig mögliche Lösung ist. 

Was das Runterbrechen von Inhalten angeht: An sich lässt sich jeder Inhalt auch in Leichter Sprache darstellen. Es gibt sicherlich auch Websites, bei denen man sich für eine Übersetzung aller Inhalte entscheiden kann.

Umgekehrt ist auch ein Onepager (Wikipedia) denkbar, um Zugang zu wesentlichen Informationen der Webseite zu bieten. Ich würde das nach einem Blick auf die Inhalte und den Umfang immer individuell einschätzen, und natürlich spielen auch die konkrete  Anfrage sowie die Ressourcen der Auftraggeber*innen eine Rolle.

Startseite des Freilichtmuseum am Kiekeberg – Oben rechts befindet sich der Link zur Webseite in leichter Sprache

Was die Strategiefrage betrifft: Ich würde es als eine Strategie zur Herstellung von Barrierefreiheit beschreiben, die für verschiedene Zielgruppen unterschiedlich aussieht. Leichte Sprache stellt andere Anforderungen als ein Video in Gebärdensprache. 

Zu dieser einen Strategie könnte es aber auf jeden Fall auch gehören, die Sprache der Ausgangsseite an sich zu hinterfragen. Ja, wie wäre es mit einer leichter verständlichen Sprache auch für die Ausgangsseite? Hier könnte die Einfache Sprache ins Spiel kommen.

Leichte Sprache ist eine sehr starke Vereinfachung, auf die teilweise auch ein gesetzlicher Anspruch besteht. Anja Teufel

Tatsächlich gibt es noch eine Unterscheidung zwischen Einfacher Sprache und Leichter Sprache. Laut gängigen Empfehlungen für Einfache Sprache ist diese etwas komplexer als Leichte Sprache, vermeidet aber ebenfalls Fremd- und Fachwörter.

Die Sätze dürfen etwas länger ausfallen und die Grammatik erlaubt insgesamt einen etwas höheren Schwierigkeitsgrad. Auch in Sachen Gestaltung weicht sie weniger vom gewohnten Anblick ab als die Leichte Sprache. Wenn Webseiten sich an alle Bürger*innen richten, dann sollten diese Seite auch mit der gewählten Sprache mehr Menschen erreichen als das bisher der Fall ist.

Das würde die Leichte Sprache aber nicht überflüssig machen. Leichte Sprache ist eine sehr starke Vereinfachung, auf die teilweise auch ein gesetzlicher Anspruch besteht. Ausschließlich auf Leichte Sprache zu setzen -immer und überall - halte ich aber nicht für den geeigneten Weg. Auch Fachsprache hat ihre Berechtigung. 

Welche Vorteile genieße ich, wenn ich mich bei Webseiten und anderen Texten für Leichte Sprache entscheide?

Mit einem Angebot und der Übersetzung in Leichte Sprache stelle ich Barrierefreiheit her. Mit der Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 unterschrieben hat, hat die Leichte Sprache großen Auftrieb bekommen.

Mit Leichter Sprache erreiche ich mehr Menschen mit meinem Anliegen und meinen Angeboten oder andersherum, schließe weniger aus. Ich ermögliche Vielfalt und Beteiligung. Ich setze Standards auf meinem Gebiet. Nicht zu vergessen, die Nutzer*innen von Leichter Sprache haben Familie und Freund*innen, die weitere Nutzer*innen einer Website und deren Angeboten und Produkten sein können. Egal, ob ich die Frage menschenrechtlich oder wirtschaftlich betrachte – ich sehe nur Vorteile bei einem Angebot in Leichter Sprache.

Einfache Texte verstehen alle

Als primäre Zielgruppe gelten Menschen mit Lernschwierigkeiten. Der Begriff ist übrigens die politische Selbstbezeichnung von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung, der von vielen Menschen mit Lernschwierigkeiten als diskriminierend abgelehnt wird – mehr dazu unter www.menschzuerst.de.

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass noch mehr Menschen davon profitieren können, beispielsweise Menschen, die gerade erst Deutsch lernen, ungeübte Leser*innen sowie teilweise gehörlose Menschen. Für letztere wäre natürlich in erster Linie ein Gebärdensprache-Video wichtig.

Ein kleiner Abstecher in die Welt der Verordnungen: Für öffentliche Stellen des Bundes  definiert die BITV 2.0 (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) zudem Vorgaben für u.a. Webseiten bezüglich der Leichten Sprache

Diese Vorgaben bieten aber eher einen Blick auf das inhaltliche Buffet, ohne davon essen zu dürfen. Ich meine damit, dass ein Überblick in Leichter Sprache über die Inhalte einer Website gegeben wird, ohne dass die vorhandenen Inhalte dann tatsächlich in Leichter Sprache erklärt werden.

»Allein durch die Anwendung der BITV entsteht keine gute Website in Leichter Sprache.« Anja Teufel

Hier gibt es in der „Leichte-Sprache-Community“ zunehmende Kritik. Letztlich ist es meiner Meinung nach auch eine Frage der Interpretation, wie ich die BITV-Vorgabe auslege, dass »Informationen zu den wesentlichen Inhalten« auch in Leichter Sprache bereitgestellt werden müssen.

Bedeutet das, dass ich lediglich einen Überblick in Leichter Sprache über die Inhalte gebe? Oder bedeutet es, dass ich die wesentlichen Inhalte in Leichter Sprache erkläre?  Allein durch die Anwendung der BITV entsteht keine gute Website in Leichter Sprache – das muss ganz klar gesagt werden. Es ist momentan meist genau andersherum: Gute Webseiten in Leichter Sprache entstehen, wenn sich alle Beteiligten vorher Gedanken über ein Konzept und ein nötiges neues Template für die Leichte Sprache machen.

Wenn ich Leichte Sprache in eine Webseite integrieren möchte, wie sollte das Ihrer Meinung nach am besten gemacht werden? Sollten die Texte in Leichter Sprache auf den Seiten der „normalen“ Seiten angezeigt werden oder plant man besser einen vollkommen abgegrenzten Bereich für Leichte Sprache?

Das hängt vor allem davon ab, wie die Ausgangsseiten gestaltet und aufgebaut sind. In der Regel wird es so sein, dass ich einen abgegrenzten Bereich, also eine neue Vorlage benötige. Deshalb sollte ich ein extra Vorlage für die Leichte Sprache schaffen. Nur so kann ich den Nutzer*innen von Leichter Sprache das Verständnis und die Orientierung bieten, die sie brauchen.

Um es ganz klar zu sagen, die »reine Übersetzung« mit einem copy & paste in das bestehende Template einzufügen, reicht so gut wie nie aus. Es braucht mehr, als einen weiteren Text auf der Ausgangsseite einzufügen, der die Regeln für Leichte Sprache auf Wort-, Satz- und Textebene einhält. Es geht um mehr als einfache Wörter, kurze Sätze und leichte Grammatik.

Zu Leichter Sprache gehören auch die Gestaltung mit größerer serifenloser Schrift, größerem Zeilenabstand, geeigneter Bebilderung, guten Kontrasten und anderes mehr. Bei Webseiten kommen weitere Voraussetzungen für eine gute Lesbarkeit, Orientierung und Navigation hinzu, die in den allermeisten Fällen von der Ausgangsseite abweichen.

Einfach gehalten, sofort für jeden verständlich, dafür sorgen die gelungene Bebilderung und die übersichtliche Navigation

Ich sollte beispielsweise einen ausreichend großen Textbereich schaffen, sodass bei einem herkömmlichen Desktop-Computer möglichst selten eine Zeile vor dem Satzende umbricht. Daran scheitern die Ausgangsseiten in den allermeisten Fällen. Der Textbereich ist zu schmal angelegt. Neben dem Textbereich – seltener darunter – benötige ich Platz für eine weitere Spalte, in der Bilder Textpassagen zusätzlich erläutern.

Stellen Sie sich vor, Sie können auf einer Seite einen Button „Leichte Sprache“ anklicken. Sie gelangen dann zu einer Seite, die auch Text in Leichter Sprache enthält. Aber ansonsten bleibt das als Menü mit dem gesamten ursprünglichen Header bestehen. Wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten diese Navigation – die sie oft nicht verstehen – anklicken, gelangen sie wieder zu den Texten in schwieriger Sprache.

Selbst wenn es weitere Auswahlmöglichkeiten für Leichte Sprache gibt, ist eine sinnvolle Orientierung kaum möglich. Die Unterscheidung, was wohin führt, ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Menüpunkte komplett zu neuen Inhalten in Leichter Sprache führen sollten, bleibt das Problem, dass die Menüpunkte der Ausgangsseite oft zu schwierig sind.

Das ist auch ein gravierendes Problem bei den Vorgaben der BITV zur Leichten Sprache. Für die Nutzer*innen der Leichte Sprache ist nicht nachvollziehbar, wo sie welche Sprache erwartet, wenn nur ein Text ausgetauscht wird, aber ansonsten die alte Navigation erhalten bleibt. Hinzu kommt, dass sich die Nutzer*innen tatsächliche Inhalte wünschen. Die Vorgaben zur Übersetzung der Erklärung zur Barrierefreiheit und zum Zurechtfinden auf der Seite berücksichtigen Barrierefreiheit, aber inhaltliche Bedürfnisse kommen klar zu kurz.

»Aus meiner Erfahrung bewegen sich Menschen mit Lernschwierigkeiten gern in diesem in sich logisch aufgebauten Seitensystem und möchten nicht ständig wechseln.« Anja Teufel

Die Kunst besteht also darin, ein neues Template zu schaffen, das die Navigation vereinfacht. Das Template erhält einen angepassten Seitenaufbau mit Gestaltung nach den Regeln für Leichte Sprache. Dennoch soll dieses Template auch eine Wiedererkennung der Ausgangsseite ermöglichen. Aus meiner Erfahrung bewegen sich Menschen mit Lernschwierigkeiten gern in diesem in sich logisch aufgebauten Seitensystem und möchten nicht ständig wechseln. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch eine Brückenfunktion zwischen Ausgangs- und Leichte-Sprache-Seite an passenden Stellen schaffen könnte.

Die Ideen und die Idealvorstellung einer Webseite in Leichte Sprache sind aber eigentlich immer größer als die tatsächlichen Möglichkeiten der Umsetzung – technisch wie auch finanziell.

Bevor ich eine Webseite schaffe, auf der Menschen sich nicht zurechtfinden, würde ich als Alternative eher überlegen, mit PDF-Dateien zu arbeiten. Die entsprechen dann wenigstens den Regeln für Leichte Sprache. Aber auch dafür muss ich natürlich eine Startseite in Leichter Sprache schaffen, die Mindestanforderungen erfüllt. Von dieser Startseite könnten dann die PDF heruntergeladen werden. Aber das ist eher eine Notlösung für den Übergang.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung von Menschen, die Leichte Sprache benötigen, beim Navigieren auf Websites?

Ich möchte hier mit einem Zitat einer Prüferin für Leichte Sprache beginnen, die zu einer Ausgangsseite sagte: “Die Seite sieht aber unaufgeräumt aus.” Als Prüferin und Frau mit Lernschwierigkeiten prüft sie Übersetzungen und Websites in Leichter Sprache auf deren Verständlichkeit und eine gut nutzbare Navigation. 

Menschen mit Lernschwierigkeiten finden die Seiten sehr oft unübersichtlich. Es ist für sie bei den Ausgangsseiten oft schwierig, zwischen Inhalten und anderen Elementen zu unterscheiden. Was ist Inhalt und was ist Navigation? Oft ist es auch schlichtweg zu viel, was auf den ersten Blick angeboten wird. Dabei trägt das Design oft eher zur Verwirrung als zur Erhellung bei. 

Das Angebot in Leichter Sprache sollte auf der Startseite der Ausgangsseite leicht auffindbar sein, sodass die Leichte Sprache mit einem Klick erreichbar ist.

Zu einer guten Navigation gehört auch, dass sich die Schriftgröße einfach ändern lässt, ohne dass man dafür Tastaturkürzel kennen muss.

Eine Subnavigation mit zu vielen weiteren Unterebenen ist ebenfalls schwierig. Am Ende ist dann nicht mehr ersichtlich, wo ich mich überhaupt befinde. Für viele Menschen mit Lernschwierigkeiten ist es auch schwierig, ohne Hilfe die Schrift zu vergrößern, da ihnen die dafür nötigen Tastaturbefehle nicht bekannt sind. Auch die Tatsache, dass eine Seite am unteren Bildschirmrand noch nicht zu Ende ist und wie Scrollen funktioniert, ist für einige Menschen ein Lernprozess.

Hinzu kommen oft Schwierigkeiten, die aufgrund von Mehrfachbehinderungen wie zum Beispiel Seheinschränkungen und eingeschränkter Motorik entstehen.

Die Navigation einer Webseite gehört zu den schwierig zu gestaltenden Elementen, weil sie verkürzt und auf den Punkt die Strukturen einer Webseite klarmachen muss. Unterscheidet sich eine Navigation für Leichte Sprache von der einer normalen? Was für Herausforderungen gibt es für eine Navigation in Leichter Sprache? Gibt es z.B. eine Mindestanzahl oder maximale Anzahl von Menüpunkten?

Ja, die Navigation unterscheidet sich. Sie ist kurz gesagt klarer und schlichter.

Aktuelle Empfehlungen gehen davon aus, dass fünf Navigationspunkte sowohl im Hauptmenü als auch der Subnavigation nicht überschritten werden sollten. Ich würde dabei schauen, ob ein Teil der bestehenden Menüpunkte erhalten bleiben kann, wenn sie sprachlich einfach genug sind, um möglichst nah an der Ausgangsseite zu bleiben. Oft kann das Menü reduziert, vielleicht auch Punkte zusammengefasst werden. Manchmal müssen aber auch neue Begriffe gefunden werden, wenn das Menü beispielsweise aus englischen Begriffen oder Fachwörtern besteht.

Ich würde für den Header immer empfehlen, dass ich zu jeder Zeit auf die Startseite in Leichter Sprache zurückkehren kann. Auch die Ausgangsseite sollte anwählbar sein (→ Zur schweren Sprache). Die Vergrößerung der Schrift ist ein weiteres wichtiges Thema, für das mehr als eine Lösung denkbar ist. In den allermeisten empfiehlt es sich, den Kopf- und Fußbereich zu reduzieren.

Weitere Sprungmarken sollten das Navigieren zwischen den einzelnen Seiten und nach inhaltlichen Abschnitten jeweils nach oben zum Seitenanfang erleichtern.

Der Leitfaden »Einfach Surfen« (PDF) bietet einen Überblick über wichtige Eckpunkte für Webseiten in Leichter Sprache. Aus meiner Sicht ersetzt dieser Überblick jedoch kein individualisiertes Konzept für eine Webseite.

Wenn ich mich für das Thema Leichte Sprache interessiere, was sollten Ihrer Meinung nach die ersten Schritte sein?

Empfehlen würde ich vor allem, rechtzeitig Kontakt aufzunehmen zu einem Übersetzungsbüro für Leichte Sprache, das sich mit den Anforderungen an Websites in Leichter Sprache auskennt. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es meist sehr wichtig ist, im Vorfeld klar zu kommunizieren, dass es um mehr als die »reine Übersetzung« geht.

Gemeinsam kann man dann überlegen, in welche Richtung es gehen soll und möglicherweise einen Antrag für eine finanzielle Förderung zur Umsetzung zu stellen. Mit diesem Vorgehen habe ich sehr gute Erfahrungen mit verschiedenen Vereinen und Institutionen gemacht. Von Erstkontakt über Antragstellung bis Online gehen der neuen Website können leicht ein bis zwei Jahre vergehen.

Die Auftraggeber*innen wissen nach dem Erstkontakt, dass sie neben der reinen Übersetzung ein Budget für die Beratung und das Konzept für die Webseite in Leichter Sprache einplanen müssen. Und sehr wichtig: Sie wissen jetzt auch, dass weitere Kosten für Webdesign und -programmierung entstehen, weil sie ein zusätzliches neues Template für die Leichte Sprache benötigen.

Wenn das Budget für diese Arbeiten gesichert ist, empfehle ich als nächsten Schritt eine gemeinsame (digitale) Besprechung mit allen beteiligten Akteuren. In dieser Besprechung geht es um die Erörterung wichtiger Vorgaben der Leichten Sprache und die Klärung von offenen Fragen seitens Design/Programmierung. Stolpersteine können geklärt und gemeinsam nach Kompromissen und Lösungen gesucht werden.

Ich erstelle dann für meine Auftraggeber*innen immer ein mehrseitiges schriftliches Konzept, dass alle Angaben zu Gestaltung, Seitenaufbau und Navigation für die neue Webseite enthält. Alle Akteure können dann mit diesem Konzept arbeiten. Gern halte ich auch direkten Kontakt mit Design/Programmierung, während das neue Template entsteht.

Erst danach beginnt meine Arbeit der eigentlichen Textübersetzung. Die weiteren Schritte einer Übersetzung inklusive des späteren Einpflegens von Texten und Bildern in das neue Template benötigen ebenfalls nochmal Zeit. Vor der finalen Freigabe der Seite prüft die Prüfgruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten das Zurechtfinden auf der noch nicht veröffentlichten Webseite. Dank der ausführlichen Beratung mit Konzept sind es hier in der Regel nur Kleinigkeiten, die am Ende noch angepasst werden.

So würde ich den optimalen Prozess aus meiner Sicht beschreiben.

Wie kann ich sicherstellen, dass ein von mir bestellter Text in Leichter Sprache auch tatsächlich von der anvisierten Zielgruppe verstanden wird? Welche Möglichkeiten habe ich, um die Qualität solcher Texte zu überprüfen?

Meiner Meinung nach gehört zu einem guten Text in Leichter Sprache auch das Einbeziehen von Menschen mit Lernschwierigkeiten als Prüfer*innen. Das Prüfen ist auch eine wichtige Regel vom Netzwerk Leichte Sprache e.V. 

Allerdings ist es damit allein nicht getan. Denn erst eine Übersetzung, die sich an wichtige Regeln für Leichte Sprache hält, sollte geprüft werden. Tatsächlich ist es für Laien gar nicht so einfach, diese Regel-Qualität zu überprüfen, ohne sich ein wenig mit den Regeln für Leichte Sprache vertraut zu machen, beispielsweise vom Netzwerk Leichte Sprache e.V. 

Es gibt auch Programme im Internet, in die ich meine Texte eingeben kann (z.B. languagetool.org/de/leichte-sprache). Diese Tools sagen mir dann beispielsweise, ob Wörter und Sätze zu lang sind für Leichte Sprache, ob sie Passivformulierungen enthalten und vieles mehr. Aber dafür muss ich schon etwas in die Materie einsteigen, wenn ich den Text anschließend verbessern möchte

Ich würde Auftraggeber*innen empfehlen, sich Texte des Übersetzungsbüros zeigen zu lassen und das Vorgehen für Webseiten in Leichter Sprache zu erfragen. Eine Frage, wie lange die Person bereits übersetzt und welche Erfahrung sie mit Webseiten in Leichter Sprache besitzt, dürfte ebenfalls weiteren Aufschluss geben.

Qualität bedeutet für mich auch immer, die Auftraggeber*innen zu beraten zu ihrem Vorhaben, Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen.

Vielen Dank für das ausführliche Interview!

Autor: Moritz »mo.« Sauer
Datum: 01.01.2024
Lesezeit ≈ 18 min / Wörter: 2822 / Zeichen: 20318